Im Februar ging ein langgehegter Wunsch von mir in Erfüllung: Ich habe den Hörnumer Leuchtturm bestiegen! Das maritime Wahrzeichen übt schon seit jeher eine besondere Faszination auf mich aus. Umso spannender war es, bei einer Besichtigung den Geschichten von Leuchtturmführer Knud zu lauschen und tiefer in die Vergangenheit des Turmes und der Insel selbst einzutauchen. Der atemberaubende Ausblick von ganz oben ist natürlich DAS Highlight!
Ich kann nicht anders: Wenn ich an ihnen vorbeikomme, muss ich sie einfach fotografieren. Die Rede ist von den fünf Sylter Leuchttürmen. Es gibt zwei in List, zwei in Kampen und einen in Hörnum. Letzterer ist tatsächlich der einzige, den man besichtigen darf. Da dies nur in kleinen Gruppen zu festgelegten Zeiten möglich ist, und die Leuchtturmführungen sehr beliebt sind, solltest du dich vorab unbedingt bei der Hörnum Touristik dafür anmelden. Eine Karte kostet 6 Euro.
Ahoi Knud!
Voller Vorfreude mache ich mich auf den Weg zum Treffpunkt am Fuße des Leuchtturmes. Dort warte ich zusammen mit anderen Leuchtturmfans sehnsüchtig auf Knud. Der Herr des Turmes kennt das rot-weiße Exemplar wie seine Westentasche. Ich bin mir sicher, er kann im Schlaf aufsagen wie viele Stufen, Schrauben oder Schalter sich darin befinden.
Knud macht seinem Namen alle Ehre, denn mit seinem charakterstarken Gesicht, dem grauen Bart und der Seemannsmütze sieht er auch wie ein Kapitän. Kein Wunder, denn der gebürtige Nordfriese ist früher auf einem Kutter zur See gefahren, bevor er sich in Hörnum verliebte und auf Sylt sesshaft wurde.
Zu unserer Überraschung beginnt Knud seine Begrüßung auf Plattdeutsch. Einigen Gesichtern ist abzulesen, dass kein Wort verstanden wird. Somit einigen wir uns auf eine Führung auf Hochdeutsch. Schade, denke ich. Denn ich finde den plattdüütschen Dialekt einfach klasse!
Wir erfahren, dass das Haus am Fuße des Leuchtturmes früher einmal dem Leuchtturmwärter gehörte. Heute wohnt dort der Hörnumer Hafenmeister mit seiner Familie. Es ist zugleich das älteste Haus Hörnums.
Wusstest du, dass bis Anfang der 70er Jahre noch eine Inselbahn auf Sylt fuhr? 1901 wurde der Bahnhof in Hörnum gebaut – das erste Haus des Ortes.
Wir folgen dem fast zwei Meter großen Nordlicht und Sylter Urgestein über einen schmalen Waldweg hinauf zu unserem Ziel.
Schon über 100 Jahre alt
Im Eingangsbereich stülpen wir uns zunächst einen Schutzbezug über unsere Schuhe. Währenddessen erzählt uns Knud, dass der Hörnumer Leuchtturm 1907 in Betrieb genommen wurde. Somit ist er der jüngste der fünf Sylter Türme. Er wurde aus 600 einzelnen Platten zusammengeschraubt. Zusammen mit der Düne, auf der er errichtet wurde, ergibt sich eine Gesamthöhe von 50 Metern über dem Meeresspiegel. Sein Feuer ist 37 Kilometer weit zu sehen. Ich sauge diese interessanten Informationen in mir auf wie ein Schwamm.
Wusstest du, dass das Leuchtsignal eine Stunde vor Sonnenuntergang einsetzt und eine Stunde nach Sonnenaufgang aufhört?
Die kleinste Schule Deutschlands
Dann geht es über die schmale Wendeltreppe auch schon eine Etage höher. Wir gelangen in einen Raum, der einzigartig ist in ganz Europa. Damit meine ich ein ehemaliges Klassenzimmer, in dem sich bis 1933 die kleinste Schule Deutschlands befand. Die Kinder vorm Leuchtturmwärter und Bahnhofsvorsteher wurden hier unterrichtet.
Auf dem Weg nach oben kommen wir vorbei an einem Vorratsraum, in dem sich heute aber lediglich elektronische Geräte befinden. Es folgt eine Kammer mit Bauteilen und dann gelangen wir in den für mich interessantesten Raum.
„Ja“ sagen mit Meerblick
Das Trauzimmer im siebten Geschoss wollte ich schon immer näher betrachten. Seit 2002 kann man sich auf dem Hörnumer Leuchtturm von Mitte April bis Mitte Oktober nämlich das Ja-Wort geben. Schon 2.200 Ehen wurden seitdem geschlossen, erzählt uns Knud. „Und es hat noch nie jemand ‚Nein‘ gesagt“, betont er mit einem Schmunzeln.
Ich finde die Vorstellung, in einem Leuchtturm zu heiraten, sehr romantisch und so richtig nordisch. Da der Turm natürlich nur begrenzt Platz bietet, können lediglich neun Angehörige bei der Trauung dabei sein.
Du bist auf den Geschmack gekommen? Infos zur Trauung und dem Ablauf erhältst du hier.
Ein Blick in die Vergangenheit Sylts
Auf der nächsten Etage tauchen wir tiefer in die Geschichte Hörnums eins. Knud beschreibt einzelne Stationen der vergangenen Jahrzehnte sehr lebendig und anschaulich. Man kann sich gar nicht vorstellen, dass hier früher einmal eine Bahn über die Insel tuckerte. Passagiere von größeren Schiffen legten an einer Seebrücke im Hafen an und fuhren mit der Bahn dann weiter nach Westerland oder Wenningstedt. 1933 prägte die Wehrmacht das Landschaftsbild mit Kasernen und Flugzeugkränen. Der Hafen sah auch noch ganz anders aus als heute.
Die Kraft der Natur
Was mich besonders erschreckt, ist die Veränderung der Hörnum Odde. Das ist die südlichste Inselspitze. Die Bilder zeigen, wie diese aufgrund von Stürmen und Naturgewalten im Laufe der Jahrzehnte immer kleiner wurde. Während eine Umrundung in den um 1970 noch bis zu drei Stunden dauerte, benötigt man heute nur noch eine Stunde.
„Wenn wir hier nicht seit über 30 Jahren mithilfe von Sandvorspülungen den Landverlust eindämmen würden, wäre die Odde heute sicherlich schon längst weggespült“, sagt Knud, und ich bekomme eine Gänsehaut. Da wird einem so richtig bewusst, wie klein wir Menschen doch gegen die Gewalt der Natur sein können.
Durch die Bullaugen lässt sich auf den oberen Etagen nun auch schon der tolle Ausblick erahnen, der uns noch erwartet. „Jacken zu, Mützen auf. Es ist pustig, aber von Wind wollen wir da noch nicht sprechen!“, ruft Knud und öffnet die Luke zur Aussichtsplattform.
Hörnum zu unseren Füßen
Vor uns erstreckt sich ein 360 Grad Rundblick über den Inselsüden. Vom Hafen über die Odde und den vielen Häusern bis hin zur Wattseite. Es ist leicht diesig, sonst hätten wir sogar bis zu den Nachbarinseln Amrum und Föhr blicken können. Wie man erkennt, welche Insel welche ist? Knud verrät uns die RALF-Regel: Rechts Amrum, links Föhr!
Folge dem Zeichen
Auf dem Foto siehst du die Leuchte des Leuchtturms, die zentral vom Wasser- und Schifffahrtsamt in Tönning ferngesteuert wird. Jeder Turm hat sein eigenes Zeichen, das heißt eine bestimmte Sekundenlänge zwischen den Leuchtsignalen. In Hörnum sieht es wie folgt aus: Blitz – 2,5 Sekunden Pause – Blitz – 5,5 Sekunden Pause. „Wenn ich auf See bin, kann ich also sofort feststellen, dass ich auf den Hörnumer Leuchtturm zufahre, denn die anderen wie der Amrumer oder der Kampener weiter oben habe eine ganz andere Kennung“, so Knud. Wieder etwas gelernt!
Nach knapp einer Stunde und jeder Menge geknipster Fotos geht es die vielen Stufen wieder hinab. Knud bringt uns zurück zum Ausgangspunkt, wo schon die nächste Menschentraube auf ihre Führung wartet.
Ich bin so froh, dass ich an der Besichtigung teilgenommen habe. Es war wirklich ein Erlebnis, das maritime Wahrzeichen von innen zu sehen und den Ausblick zu genießen. Ich fand es sehr interessant, mehr über die Geschichte Sylts zu erfahren. So bekommt man ein noch besseres Verständnis von seiner Lieblingsinsel. Und wer weiß – vielleicht kehre ich irgendwann ja noch einmal auf den Turm zurück, um mit einem lauten „JA, ich will“ in den Hafen der Ehe zu steuern.
Du hast nach der Führung noch Zeit? Dann solltest du Hörnum unbedingt weiter erkunden. Einen kleinen Guide habe ich dir bereits zusammengestellt.
Erlebe:
Die Leuchtturmbesichtigung Hörnum
Montag, Mittwoch und Donnerstag
jeweils um 9 Uhr, 10 Uhr, 11 Uhr und 12 Uhr
Unbedingt vorher anmeldet unter:
Telefon: (04651) 962 60
E-Mail: info@hoernum.de
Weitere Infos bei der Hörnum Touristik
Ich bin begeistert! Wundervolle Aufnahmen, Beschreibungen und Geschichten. Ich bin in Hörnum aufgewachsen und bis vor kurzem regelmäßig dort gewesen. Was ich bisher gelesen und gesehen habe lässt mein Herz höher schlagen.
Vielen Dank!
Was man dieser herrlichen Beschreibung vielleicht noch hinzufügen möchte ist der Duft des blühenden Ginsters im Frühsommer sowie, wer kann sich noch erinnern, der spezielle Geruch nach alten Schulbüchern in der Minischule. Wie hart die Stühle in der Schule waren hatte ich vergessen. Dafür hat mich die Fotobox, die ausgestellt ist, an die meiner Mutter erinnert. 12 er Rollfilm und jedes Foto wertvoll.